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Globaler Marktausblick

Geduld ist eine Tugend: Chancen bei festverzinslichen Anlagen finden

Anleger sollten sich auf Umschichtungen in ihren Portfolios vorbereiten, denn der geldpolitische Straffungskurs steuert auf seinen Wendepunkt zu – sprich: Liquidität erhalten und bei der Wahl von Einstiegspunkten Geduld walten lassen.

Fixed Income Portfolio Strategist

Das Umfeld steigender Zinsen, das 2022 herrschte, war für Anleger unglaublich schmerzlich. Die vergangenen 12 Monate waren sehr schwierig für Anleihen, doch es gibt einen Silberstreif am Horizont: Wir erwarten steigende Erträge. Das aktuelle Renditeniveau der wichtigsten Anleihesektoren befindet sich entweder auf einem 10-Jahres-Hoch oder am oberen Ende dieser Spanne. Die Renditen von US- und europäischen Investment-Grade-Unternehmensanleihen sind auf 6 % bzw. 4 % gestiegen. Die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihe hat sich mehr als verdoppelt auf 4 % sowie ist die Rendite der deutschen Bundesanleihe ist auf 2 % gestiegen. Insgesamt sind weltweit sind die Renditen von Hochzins- und Schwellenländeranleihen auf etwa 9 % gesprungen (siehe Abb. 1). Trotz schmerzlicher Kursrenditen erhalten Anleger jetzt höhere Erträge aus ihren festverzinslichen Anlagen, als sie seit langem bekommen haben.

Figure 1: Bond Yields Reach Highest Levels in a Decade

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Quellen: Bloomberg Finance, L.P., JP Morgan Chase. Die Analyse basiert auf den täglichen Yields-to-Worst vom 31. Oktober 2012 bis zum 31. Oktober 2022. HC = Hartwährung und LC = Lokalwährung.

Immer mehr Signale deuten darauf hin, dass wir uns dem Höhepunkt der Zinsen nähern. Alle aggressiven Zentralbankmaßnahmen zur Eindämmung der Inflation entfalten Wirkung. Dieses potenzielle Zinshoch könnte dazu führen, dass der beträchtliche Gegenwind, der im vergangenen Jahr am Anleihemarkt herrschte, in Rückenwind umschlägt. Die Zentralbanken sind in ihren Straffungszyklen bereits weit fortgeschritten, doch sie wissen, dass die Wirkung der Geldpolitik mit einer Verzögerung stattfindet. Daher müssen sie eine schwierige Gratwanderung zwischen einer angemessenen Abbremsung der gesamtwirtschaftlichen Aktivität (zur Eindämmung der Inflation) und einer Überstraffung der geldpolitischen Zügel (die eine „harte Landung“, sprich: eine Rezession, verursacht) bewerkstelligen. Auch Anleger stehen vor diesem Balanceakt und sollten auf Umschichtungen in ihren Portfolios vorbereitet sein, denn der bevorstehende obere Wendepunkt des geldpolitischen Straffungskurses zeichnet sich deutlicher ab.

Wir empfehlen Anlegern, bei der Entscheidung über Einstiegspunkte geduldig zu sein und an den Liquiditätspositionen in ihren Portfolios festzuhalten. In Bezug auf den Zeitpunkt können sich Anleger an Trends bei Indizes für makroökonomische Überraschungen (siehe Abb. 2), dem Index der Frühindikatoren, dem Einkaufsmanagerindex (EMI) und anderen Indikatoren orientieren, die alle auf eine sich verlangsamende Weltwirtschaft hindeuten.

Figure 2: High Inflation Uncertainty and Upside Surprises Pull Yields Higher Across the Curve

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Quellen: Citigroup, Bloomberg Finance, L. P. – Stand: 31. Oktober 2022. Bei den Indizes für makroökonomische Überraschungen handelt es sich um den Citi Inflation Surprise Index und den Citi Economic Surprise Index für die USA. „MA(12)“ bezeichnet den gleitenden 12-Monats-Durchschnitt. FFR = Federal Funds Rate (US-Leitzins)

US-Staatsanleihen zur Diversifikation

Liquidität gibt es in vielen Formen – es ist immer eine Frage der Perspektive. Zunächst sollten Anleger die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass Treasuries und Staatsanleihen anderer Industrieländer in den kommenden Quartalen zusätzlich zu Risikoanlagen wieder als effektive Diversifizierer dienen können. Angesichts der hohen Inflationsunsicherheit in den vergangenen 18 Monaten hat die traditionell negative Korrelation zwischen Aktien und Anleihen, die seit 2000 bestand, versagt und ist 2022 positiv geworden. Wenn 2023 Disinflation herrscht und das Wirtschaftswachstum sich wie erwartet verlangsamt, könnte diese Korrelation wieder negativ werden,  d. h., wenn die Fed die Zinsschraube lockert, fallen die Renditen (die Anleihekurse ziehen an) und die Aktienbewertungen spiegeln die Verschlechterung der Rahmenbedingungen wider. Dadurch würde die Attraktivität von US-Staatsanleihen als liquider Schutz gegen Abwärtsrisiken bei der Portfoliostrukturierung steigen.

Hochzinsanleihen als liquide Alternative zu Private Credit

Viele Anleger, die in Private Credit investiert haben, wurden durch das attraktive Ertragsniveau angelockt, das eine beträchtliche Liquiditätsprämie widerspiegelt. Der Nachteil von Private Credit liegt in der bestenfalls periodischen Liquidität und viele Anlegerportfolios erfordern mehr Flexibilität. Die mit Privatinvestitionen erzielten Zahlungsströme müssen wiederangelegt werden. Programme für Privatinvestitionen sind zudem häufig so strukturiert, dass Kapital zunächst eingesammelt wird. Die Art und Weise wie das Kapital dann reinvestiert wird, hängt von den Anlagechancen ab. Wer in Private Credit investiert, muss daher überlegen, wie die zu dem Private Markt-Anlage gehörende Liquidität gehalten werden soll. Unter den Alternativen an den öffentlichen Märkten zeichnen sich Hochzinsanleihen durch Renditen aus, die dem Renditeniveau von Private Credit ähneln, sowie durch eine relativ hohe Korrelation mit der vierteljährlichen Bewertung von Private Assets (siehe Abb. 3).

Abb. 3: Hochzinsanleihen - eine liquide Alternative zu Private Credit

Anteilklassen Market–to–Market/Liquidität Korrelation mit US-Private-Credit*
(vierteljährliche Rendite)
Erwartete Rendite**
US-Private-Credit* Periodisch 8–12 %
US High Yield Index Täglich

0,81

5–9 %
US Aggregate Bond Index   Täglich -0,06 2–5 %
S&P-500-Index Täglich 0,67 1–3 %
Liquidität Täglich -0,30 0–2 %

*Private Credit wird durch den Cliffwater Direct Lending Index (CDLI) abgebildet. ** Die erwarteten Renditen basieren auf historischen Spannen für die vergangenen zehn Jahre. Der Bloomberg US Treasury Bellwethers 1-month Index wird als Maßstab für Liquidität herangezogen. Quelle: Cliffwater Direct Lending LLC, Bloomberg Finance, L.P.; Stand: 30. Juni 2022. Die Analyse basiert auf den vierteljährlichen Renditen seit Juni 2012. Die oben genannten Zielwerte sind Schätzungen, die auf bestimmten Annahmen und Analysen von Cliffwater Direct Lending LLC und Bloomberg beruhen. Es gibt keine Garantie, dass die Schätzungen erreicht werden. Sämtliche Daten zur Wertentwicklung eines Index, auf die in dieser Mitteilung Bezug genommen wird, dienen lediglich Vergleichszwecken. Es darf nicht davon ausgegangen werden, dass damit die Wertentwicklung eines bestimmten Instruments dargestellt wird.

Die periodischen Mark-to-Market-Bewertungen von Private Credit bieten zwar Vorteile in Bezug auf bessere Erträge und stabile Preise, doch für Anleger, die Marktverwerfungen nutzen möchten, wäre dies schwierig, wenn sie nur an den privaten Märkten investieren. Anleger in Hochzinsanleihen können dank der Liquidität und Volatilität Spreadausweitungen nutzen, indem sie Anleihen kaufen, wenn die Kurse infolge von Marktverwerfungen fallen, um dann, wenn sich Gelegenheiten bieten, auf Private Credit oder andere alternative Anlageklassen umzusteigen. In Abb. 4 zeigen wir fünf Fälle auf, in denen die Spreads von Hochzinsanleihen bei knapp 6 % oder darüber lagen. Zu diesen Zeitpunkten hätte der Kauf von Hochzinsanleihen statt Anlagen in Private Credit zu besseren Renditen geführt.

Figure 4: Leaning into High Yield When Credit Spreads Are Favorable

High Yield Spreads versus Rolling Annual Income of Private Credit

High Yield

Quelle: Cliffwater Direct Lending LLC bis 30. Juni 2022: Bloomberg Finance, L.P.; Stand: 30. September 2022.

Geduldig auf den Einstiegspunkt bei Anleihen warten

Die Kreditspreads haben sich dieses Jahr von ihrem fast historischen Tief ausgeweitet und befinden sich nun auf einem Niveau, das in der Nähe der langfristigen Durchschnitte liegt. Wir sind der Meinung, dass Anleihen in den kommenden Quartalen eine Kaufgelegenheit darstellen werden, wenngleich sie auf kurze Sicht immer noch mit etwas Gegenwind konfrontiert sind. Als Gegenwind wirkt beispielsweise der aggressive Straffungskurs der US-Notenbank, der die Federal Funds Rate den Markterwartungen zufolge in der ersten Hälfte des kommenden Jahres auf 5 % steigen lassen wird. Damit befindet sich der Leitzins weit im restriktiven Bereich, was die gesamtwirtschaftliche Aktivität weiter dämpfen wird. Bisher haben sich die Straffungsmaßnahmen größtenteils noch nicht in den Fundamentaldaten von Anleihen niedergeschlagen, aber dies wird unseren Erwartungen nach 2023 der Fall sein (in den makroökonomischen Rahmenbedingungen sind die Auswirkungen der Straffungsmaßnahmen bereits besser erkennbar). Die Fundamentaldaten von Investment-Grade-Anleihen haben sich zwar etwas verschlechtert, sind aber immer noch robust: Das Gewinnwachstum liegt nach wie vor über dem Durchschnitt von vor der Pandemie. Die Zinsdeckungsquoten befinden sich nahe historischer Höchststände. Bei Hochzinsanleihen sind die Spreads gemessen an den langfristigen Durchschnitten etwas erhöht und spiegeln nicht die höheren Ausfallquoten wider, die einige Analysten für Hochzinsanleihen im nächsten Jahr voraussagen.

Abschließende Überlegungen

Erst wenn wir deutlichere Signale dafür sehen, dass die Fed tatsächlich bereit ist, von ihrem Straffungskurs abzurücken, halten wir Anleihen und besonders Hochzinsanleihen für attraktive Anlagemöglichkeiten. Selbst nachdem die Fed ihren Leitzins im November um 75 Basispunkte angehoben hat, muss sie immer noch mehrmals an der Zinsschraube drehen, bevor sie eine Pause einlegen kann, sofern es keine kräftigen negativen makroökonomischen Überraschungen gibt. In der Zwischenzeit wird die Dynamik voraussichtlich negativ bleiben, die Fundamentaldaten dürften sich abschwächen und die Spreadbewertungen werden sich wahrscheinlich weiter ausweiten auf ein attraktiveres Niveau. Noch zeichnen sich die makroökonomische und die geldpolitische Lage nicht klar ab. Bis dahin sollten Anleger noch geduldig warten.

So kann’s gehen:

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