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Globaler Marktausblick

Ausblick Schwellenländer 2024 Ein differenzierter Ansatz ist wichtig

Die Schwellenländer bleiben vor dem globalen Hintergrund anfällig, aber es bieten sich in einzelnen Bereichen auch Chancen, insbesondere bei Hartwährungsanleihen und ausgewählten Schwellenländeraktien.

Christopher Carpentier profile picture
Investment Strategist
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Portfolio Strategist - Emerging Market Debt

Im Laufe des Jahres 2023 nahm der Optimismus in Bezug auf Schwellenländeranlagen ab. Der anfängliche Enthusiasmus beruhte zum Teil auf der Erwartung einer wiedererstarkten chinesischen Wirtschaft nach dem Ende der Null-Covid-Politik, eines schwächeren US-Dollar und weniger hoher Endzinssätze. Als sich dieses Szenario nicht wie geplant einstellte, gerieten die Renditen ins Straucheln. Das Interesse der Anleger an Schwellenländeranlagen nahm ab, da die US-Renditen neue Mehrjahreshöchststände erreichten, der Dollar wiedererstarkte und Chinas Aufschwung enttäuschte. Dies wirkte sich auf die Performance von Aktien und Anleihen aus, wenn auch in unterschiedlichem Maße.

Angesichts der zahlreichen Besonderheiten im Universum der Schwellenländer (EM) erscheint die Tendenz, die EM als einen einzigen Block zu betrachten, fehlgeleitet. Zwar gibt es zweifellos Risiken, die allen Schwellenländern gemein sind, wie z. B. die Sensitivität aufgrund anhaltend erhöhter geopolitischer Risiken und eine generelle Risikobereitschaft, dennoch ist es für Anleger wichtig zu erkennen, worin sich die Länder unterscheiden. Entscheidende Unterschiede zwischen den Ländern bestehen beispielsweise darin, ob ein Schwellenland ein Energieexporteur oder ein Energieimporteur ist und ob es sich um eine produktions- oder dienstleistungsbasierte Volkswirtschaft handelt. Diese wichtigen Unterscheidungen zwischen den Nationen verdeutlichen die Heterogenität der Gruppe der Schwellenländer. Darüber hinaus gibt es unterschiedliche Performance-Treiber innerhalb der verschiedenen Indizes – insbesondere des MSCI Emerging Markets Index für Aktien und der Schwellenländeranleihen-Indizes für Hart- und Lokalwährungen. Es ist daher schwierig, sie alle in einem Beitrag zusammenzufassen. Chinesische Aktien beispielsweise machen etwa 30 % des Vergleichsindex für Schwellenländeraktien aus, während sie 4,7 % des Index für Hartwährungsanleihen der Schwellenländer und 10 % des Marktes für lokale Währungen ausmachen. Die Argumente für eine Anlage in chinesische Aktien oder Anleihen können daher ganz unterschiedlich ausfallen.

Schwellenländeraktien vs. Schwellenländeranleihen

Im Bereich der Schwellenländer sind wir im Allgemeinen sehr vorsichtig, wenn wir Anlageentscheidungen treffen. Auch wenn wir bei den Schwellenländeraktien derzeit insgesamt nicht viel Wert sehen, gibt es jedoch nach wie vor Chancen. Die Schwellenländeraktien haben ein Umfeld eingepreist, in dem für längere Zeit höhere Zinssätze vorherrschen werden. Wir konnten infolgedessen eine Underperformance der Schwellenländer-Risikoanlagen, einen Abverkauf der EM-Währungen und sinkende Gewinnerwartungen beobachten. Der Ausblick für Schwellenländeranleihen ist insgesamt günstiger, wobei der Schwerpunkt auf Hartwährungsanleihen liegt. Mittlerweile befinden wir uns in der bereits vertrauten Situation, in der eine datengetriebene US-Notenbank (Fed) wieder zum dominierenden Treiber der Renditen von Schwellenländeranleihen geworden ist. Staatsanleihen in Hartwährung erscheinen attraktiv, da die Spreads der Schwellenländer nach wie vor günstig sind. Sollte es in den USA nicht zu einer Rezession kommen, könnten sie sich weiter verengen.

Ausblick: Schwellenländeraktien

Trotz der anhaltenden Herausforderungen in China sind wir der Ansicht, dass eine relative Anlagechance besteht. So können sich aktive Manager auf von der Politik geförderte, strukturelle Wachstumsbereiche in der Wirtschaft konzentrieren – wie beispielsweise technologische Unabhängigkeit, Elektrifizierung und andere Bereiche der „New Economy“. Außerdem wäre es unserer Meinung nach eine Überlegung wert, China vom Rest der Schwellenländerallokation abzutrennen, da das Land mit etwa 30 % im Benchmark-Index der Schwellenländer eine hohe Gewichtung und niedrige Korrelationen aufweist sowie eine globale Bedeutung hat. Abgesehen von der erheblichen Konzentration führt ein Abrutschen der chinesischen Performance häufig zu Gegenwind für andere Schwellenländer, wodurch sich der Einfluss Chinas auf die Performance der EM-Indizes vervielfacht. So beeinträchtigte beispielsweise die Schwäche des Technologiezyklus das verarbeitende Gewerbe in den Schwellenländern, während die schwächere Nachfrage nach internationalen Gütern dort zu weniger Aufträgen führte. Es tritt jedoch auch das Gegenteil ein, wenn die chinesische Wirtschaft stark wächst. Ein eigenständiges China-Engagement würde Anlegern daher die Möglichkeit bieten, ihre China-Allokation je nach Bedarf nach oben oder unten zu korrigieren. Abbildung 1 veranschaulicht die abweichende Performance Chinas vom Universum der Schwellenländer ohne China. Ein derartiger Ansatz erhöht auch die Flexibilität bei der Art der Engagements, aus denen ein Anleger auswählen kann, sei es die Entscheidung für entweder Index- oder aktive Anlagen, verschiedene Anlagestile und thematische oder Small-Cap-Tilts.

Mit Ausnahme von China sind die Schwellenländermärkte in der Regel stark von zyklischen Unternehmen und Branchen geprägt, was sie besonders sensitiv gegenüber den globalen Wirtschaftsaktivitäten macht. Wir rechnen 2024 mit unterdurchschnittlichem Wachstum der Weltwirtschaft, was die Aussichten der Schwellenländer beeinträchtigen dürfte. Abgesehen von China müssen sich Anleger auch darüber im Klaren sein, dass innerhalb des Schwellenländeruniversums weiterhin Konzentrationsrisiken bestehen. Indien, Südkorea und Taiwan machen über 60 % des EM ex-China Index aus. Darüber hinaus gibt es sowohl in Taiwan als auch in Südkorea jeweils einen Titel, der mehr als 30 % des Indexgewichts beider Länder ausmacht.

Eine interessante Gelegenheit bietet sich durch den wirtschaftlichen Aufschwung Indiens. Mit einer jungen und wachsenden Bevölkerung und einem gesunden Wirtschaftswachstum (siehe Abbildung 2) verfügt das Land über attraktive Anlagemerkmale. Die Zusammensetzung der Sektoren ist gut diversifiziert und nicht von einer bestimmten Branche abhängig. Die Sektoren Finanzen, Technologie und Energie machen etwa die Hälfte des indischen Aktienindex, der als Vergleichsindex fungiert, aus.
 

Ausblick: Schwellenländeranleihen

Es ist wichtig, zwischen Lokalwährung und Hartwährung zu unterscheiden und die jeweils wichtigsten Performancefaktoren zu kennen, um die Entwicklung von Schwellenländeranleihen zu verstehen. Die Performance der Lokalwährungsanleihen bestimmt sich aus den Zinssätzen und Währungen der Schwellenländer. Im Gegensatz dazu bestimmen sich die Renditen von Hartwährungsanleihen aus den Spreads zwischen den US-Staatsanleihen und den Schwellenländeranleihen. Die Märkte haben aufgrund der Widerstandsfähigkeit der US-Wirtschaft ihre Erwartungen angepasst. Der daraus resultierende Abverkauf der US-Staatsanleihen und die Stärkung des US-Dollars hat sich negativ auf die Performance der Hartwährungs- und der Lokalwährungsanleihen ausgewirkt und die zu Beginn des Jahres erzielten Gewinne wieder zunichte gemacht.

Hartwährungsanleihen

Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Volatilität und Unsicherheit erscheinen Hartwährungsanleihen relativ attraktiver, da die Spreads der Schwellenländer, insbesondere die High-Yield-Spreads, immer noch günstig sind und sich ohne eine US-Rezession weiter verengen könnten (siehe Abbildung 3). Zwar ist die geopolitische Landschaft instabiler geworden, wenn sich jedoch der Krieg zwischen Israel und der Hamas nicht zu einem breiteren regionalen Konflikt ausweiten sollte, so könnte die damit einhergehende Spread-Ausweitung, die nach wie vor begrenzt ist, eine gute Einstiegsmöglichkeit in die Anlageklasse darstellen. Eine Sorge bei Hartwährungsanleihen ist, dass sie in einem Klima, in dem der US-Dollar stärker wird, teuer werden können. Sollte sich der US-Dollar abschwächen, würde ein günstigeres Umfeld für Hartwährungsanleihen entstehen. Außerdem stellt die Volatilität der US-Staatsanleihen zwar ein kurzfristiges Risiko für die Anlageklasse dar, aber eine mögliche Rally bei den Staatsanleihen, sobald sich die US-Wirtschaft erholt, bietet zusätzliches Aufwärtspotenzial für Hartwährungsanleihen.

Lokalwährungsanleihen

Nach einer überdurchschnittlichen Performance in der ersten Hälfte 2023 sind die Aussichten für Lokalwährungsanleihen komplexer geworden. Es ist bemerkenswert und ungewöhnlich, dass sich die Geldpolitik der Schwellenländer in den letzten Jahren von der Fed abgekoppelt hat. Die Zentralbanken der Schwellenländer hatten schneller auf die Inflation reagiert als die Zentralbanken der Industrieländer und da die Inflation in den Schwellenländern bereits Ende 2022 ihren Höhepunkt erreichte, konnten die Banken dort die Zinsen früher senken als ihre Pendants in den Industrieländern (siehe Abbildung 4). Allerdings haben sich die Aussichten für die Inflation in den Schwellenländern durch einen Anstieg der Ölpreise und einen stärkeren US-Dollar, der die Inflation über den Währungsmarkt ankurbeln könnte, eingetrübt. Neben den negativen Auswirkungen eines starken US-Dollars auf die Schwellenländerwährungen ist daher eine wichtige Frage für die Lokalwährungsanleihen: Wie lange können sich die Zentralbanken der Schwellenländer von der Fed abkoppeln?

Eine wichtige Entwicklung im Bereich der lokalen Währungen war vor kurzem die Entscheidung, Indien ab der zweiten Hälfte des Jahres 2024 in den Leit-Index JPM GBI-EM Global Diversified Index aufzunehmen. Damit kann das Land, sobald es vollständig eingeführt ist, die Obergrenze von 10 % für die Indexgewichtung erreichen. Die Aufnahme Indiens sorgt für die dringend benötigte Diversifizierung des Lokalwährungsindex und lässt Anleger damit auch am Wachstumspotenzial dieses großen Landes mit Investment-Grade-Rating partizipieren.

Fazit

Obwohl die Schwellenländer von der allgemeinen Marktvolatilität betroffen sind, sind wir der Ansicht, dass es in diesem breiten Anlageuniversum immer noch Chancen gibt, insbesondere bei Schwellenländeranleihen. Im Aktienbereich empfiehlt sich ein aktiver Ansatz, der sich auf die strukturell wachsenden Teile des Marktes konzentriert. Generell bieten sowohl Schwellenländeranleihen als auch -aktien ein Engagement in Ländern mit überdurchschnittlichem Wirtschaftswachstum und geringerer Verschuldung im Vergleich zu den Industrieländern. Als Teil eines breiteren Portfolios ergeben sich dadurch Diversifizierungsvorteile.

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