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Globaler Marktausblick

Anleihen stehen vor einer Wende

Die Fed bekennt sich weiter zu einer restriktiven Geldpolitik; das wird sich im Verlauf des nächsten Jahres jedoch voraussichtlich ändern und Chancen bei Anleihen schaffen.

Head of Active Global Fixed Income

Anleger in festverzinslichen Wertpapieren werden 2022 als eines der herausforderndsten Jahre in Erinnerung behalten: Die Anleiherenditen sind seit Jahresbeginn drastisch gestiegen und haben mit zu den schlechtesten Gesamtrenditen seit Jahrzehnten geführt. Weltweit hat das Renditeniveau durchweg angezogen – sowohl in Industrie- als auch in Schwellenländern. Steigende Zinsen, Marktvolatilität und sich ausweitende Spreads in allen Sektoren haben so intensiven Druck auf die Gesamtrenditen bei Anleihen ausgeübt, wie nur wenige Experten es vorhergesagt hatten. Anleger in festverzinslichen Wertpapieren, für die die Diversifikations-, Liquiditäts-, Ertrags- und Gesamtrenditemerkmale von traditionellen Anleihen schon lange selbstverständlich geworden waren, mussten ihre Fixed-Income-Strategien überdenken und sich auf einen flexibleren, taktischeren und langfristigeren Ansatz einstellen, um diese Turbulenzen zu überstehen. Anleger warten gespannt auf ein Signal für eine Umkehr an den Anleihemärkten.

Trotz dieser Herausforderungen rechnen wir damit, dass sich die Lage an den Anleihemärkten in den nächsten 12 bis 18 Monaten ändern wird. Wir sehen inmitten der Herausforderungen auch Lichtblicke und Bereiche mit Chancen für Anleger. Ein Lichtblick ist, dass Anleger trotz schmerzlicher Kursrenditen jetzt höhere Erträge aus ihren festverzinslichen Anlagen erhalten, als sie seit langem bekommen haben. Das aktuelle Renditeniveau der meisten wichtigen Anleihesektoren befindet sich entweder auf einem 10-Jahres-Hoch oder am oberen Ende dieser Spanne. Die auf Rekordniveau befindliche Inflation, wegen der die Zentralbanker die kurzfristigen Zinsen anheben mussten, zählt weiterhin zu den Haupttriebfedern der schlechten Wertentwicklung der Anleihemärkte. Auf kurze Sicht ist die Renditedynamik daher weiter negativ.

Beide Hände am Lenkrad und den Blick auf die Ferne gerichtet

Die längerfristige, strukturelle Faktoren deuten weiterhin auf ein wachstumsschwaches Umfeld hin, das durch ein langsames Wachstum der Erwerbsbevölkerung und ein schwaches Produktivitätswachstum gekennzeichnet sind (siehe Abbildung 1). Die demografische Entwicklung tendiert seit mehreren Jahrzehnten nach unten und dieser Trend wird in den Industrieländern voraussichtlich anhalten. Die Beteiligung am Erwerbsleben ist ein wichtiger Faktor, der das Bild bestimmt. Eine höhere Erwerbsquote könnte das sich verlangsamende Bevölkerungswachstum und die Überalterung der Bevölkerung etwas ausgleichen. Allerdings liegt die Erwerbsbeteiligung immer noch unter dem vorpandemischen Niveau, und wenn man den aktuellen Zeitraum seit der Pandemie ausschließt, müsste man bis 1977 zurückgehen, um eine so niedrige Erwerbsquote zu finden, wie wir sie heute haben.

Mit einem Rückgang  von 7,5% gegenüber dem Vorquartal verzeichneten wir im ersten Quartal 2022 den stärksten Produktivitätsrückgang seit 75 Jahren, was den längerfristigen Trend der Produktivität untermauert. Auch die Verschuldung nimmt zu, was ein weiteres Hindernis für ein Umfeld starken Wachstums ist, denn Regierungen, Unternehmen und Verbraucher müssen höhere Zinskosten gemessen am Einkommen zahlen. Diese Trends bestimmen zwar weiterhin die realwirtschaftliche Aktivität und damit auch die Realzinsen, doch den kurzfristigen Ausblick prägen zyklische Wachstums- und Inflationsentwicklungen.

Das zyklische Wachstum verlangsamt sich seit dem Sommer 2021 gleichzeitig steigt das Rezessionsrisiko. Die Zinsstrukturkurve2 ist negativ. Die Erwartungen für den Terminzins liegen deutlich über den zugrunde liegenden wirtschaftlichen Fundamentaldaten. Und die Zentralbanken, allen voran die US-Notenbank, deuten an, dass sie sich dem Ende ihres Straffungszyklus nähern.

Im Vorjahresvergleich erreichte die Inflation vermutlich im Juni dieses Jahres ihren oberen Wendepunkt und wird in den nächsten 12 bis 18 Monaten weiter fallen. Etwas Entspannung für den Inflationsdruck dürfte es durch sukzessive Verbesserungen der angebotsseitigen Probleme und eine Verschärfung der Finanzierungsbedingungen geben, die jetzt schon die gesamtwirtschaftliche Aktivität dämpfen. Um die Inflation nachhaltig auf dem aktuellen Niveau zu halten, müssten wir deutlichere Anstiege der langfristigen Inflationserwartungen sehen, die bisher noch ziemlich stabil sind. Laut der aktuellen Umfrage der University of Michigan prognostizieren die Befragten im Mittel eine Inflation von durchschnittlich 2,9 % in den nächsten 5 bis 10 Jahren. Das liegt nur etwa 0,4 % über den langfristigen Erwartungen der vergangenen 12 Monate, in denen der US-Verbraucherpreisindex (CPI) sich im Vorjahresvergleich von 5,4 % auf 8,2 % fast verdoppelt hat. In dieser Hinsicht kommen wir unserer Meinung nach in das Zeitfenster, in dem Anleger über eine Aufstockung der Fixed-Income-Allokationen in ihren Portfolios nachdenken sollten (siehe Abb. 2).

Figure 2: Entering the Window to Consider Increasing Fixed Income Allocations

10-Year Yield Change from 1 Year Before First Rate Hike

10 Year Yield Change from 1 Year Before First Rate Hike

Quelle: Bloomberg Finance L.P., Federal Reserve und Analyse von State Street Global Advisors. – Stand: 30. September 2022.

Abschließende Überlegungen

Wir beobachten die Inflation und die Risiken einer Überstraffung genau, solange die Fed weiter das singuläre Ziel der Inflationsbekämpfung verfolgt. Das Bekenntnis der Fed zu einer restriktiven Geldpolitik wird sich im Verlauf des nächsten Jahres voraussichtlich ändern. Angesichts der steigenden Zinsen bevorzugen wir Duration gegenüber Spread-Produkten sowie Investment Grade gegenüber Hochzinsanleihen. In Bezug auf die Bonität bleiben wir vorsichtig, bis die wirtschaftliche Unsicherheit das Bild nicht mehr eintrübt. Die Marktvolatilität, die zur Spreadausweitung beigetragen hat, wird voraussichtlich Chancen für differenzierende Anleiheinvestoren bieten. Wenn sich mehr Klarheit hinsichtlich des Umfelds für Anleihen abzeichnet, sollten Anleger unserer Ansicht nach die globalen Märkte in Betracht ziehen. Darunter fallen auch Schwellenländeranleihen, die nach einer Neubewertung der Niveaus ausreichend Interesse wecken könnten. Eher taktisch orientierte Anleger mit kürzerem Anlagehorizont sollten angesichts der aktuell pessimistischen Zins- und Spreaddynamik mit dem Kauf von Anleihen vielleicht warten.

Die makroökonomischen und Marktturbulenzen führten 2022 zwar in den meisten Fixed-Income-Sektoren zu negativen Gesamtrenditen, doch durch den breiten Ausverkauf und die anhaltende Volatilität eröffneten sich einige attraktive Chancen für Anleiheinvestoren mit längerem Anlagehorizont. Wir bleiben vorsichtig und konservativ, mit dem Blick auf den Weg gerichtet und beiden Händen fest am Lenkrad.
 

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